Am 29. April 2020 verstarb Hansjörg Weigel im Alter von 77 Jahren an den Folgen einer Corona-Infektion. Hansjörg Weigel gründete 1973 das Christliche Friedensseminar Königswalde. Er war der konzeptionelle Kopf des Seminars und ein wichtiger Wegbereiter der Friedlichen Revolution. Der gelernte KfZ-Elektriker verweigerte 1963 den Wehrdienst und kam als Bausoldat zur Nationalen Volksarmee. Aus dieser Erfahrung heraus wollte er anderen Wehrdienstverweigerern Beistand bieten und lud nach Königswalde ein. Dort kamen junge Leute aus der ganzen DDR zusammen, um Fragen des Wehrdienstes und der Verweigerung zu besprechen. Die im Frühjahr und Herbst stattfindenden Treffen unter dem Dach der Kirche zogen von Jahr zu Jahr mehr Sympathisanten an. Sie entwickelten sich zu einem Kristallisationspunkt einer Gegenöffentlichkeit und gerieten deshalb ins Visier der Staatssicherheit. Die Stasi versuchte mit verschiedenen Methoden, das Seminar zu verhindern. 1980 wurde Weigel zu einer Haftstrafe von 18 Monaten verurteilt. Da sich die Kirche und auch Westmedien intensiv für ihn einsetzten, kam er nach knapp drei Monaten frei.
Was Hansjörg Weigel in der sächsischen Provinz begann, erreichte bald eine große Sichtbarkeit und Wirkung. Lutz Rathenow erinnert sich: „Die ehemaligen Bausoldaten waren für mich die erste wirksame Oppositionsgruppe, die innerhalb der DDR für mich sichtbar geworden ist.“ Auch Erich Loest würdigte Königswalde: „Wenn je die Geschichte des Widerstands der DDR-Christen geschrieben wird, dann wird man in Königswalde, einem kleinen Dorf bei Chemnitz, anfangen müssen. (…) In Königswalde haben die Leute geübt, den Kopf zu erheben und hochzuhalten.“
Michael Beleites, ehemaliger Sächsischer Landesbeauftragter und Weggefährte, erinnert an seine persönlichen Begegnungen mit ihm: „Hansjörg hat in den 70er und 80er Jahren Menschen in der ganzen DDR inspiriert für ein Friedensengagement, das befreiend gewirkt hat. Er war nicht nur mutig, er war ein Mutmacher, der vielen anderen die Angst vor möglichen Repressionen genommen hat. Er hat selbst vorgelebt, dass man unabhängig von den äußeren Umständen innerlich frei ist, wenn man ein Bewusstsein von der eigenen Würde hat. Er hat immer auch um die Würde der anderen gewusst und vor niemanden Angst gehabt – auch vor der Stasi nicht. Hansjörg war einer, der seine friedenspolitischen Initiativen und sein oppositionelles Wirken auf der Basis eines „normalen“ praktischen Berufs betrieben hat. Er war ein Mensch, der bei all der inspirierenden Zuwendung für Außenseiter und Alternative selbst fest verwurzelt in einer ländlich lebenden Dorfgemeinschaft geblieben ist. Hansjörg hat uns gelehrt, dass Heimatverbundenheit und Weltoffenheit keine Gegensätze sind. Er war ein bodenständiger Revolutionär, der wohl deswegen die Belange der kirchlichen Friedensbewegung so glaubwürdig vermitteln konnte, weil er selber authentisch war in seinem Glauben, in seinen Worten und in seinen Werken.“
Informationen zurm Christlichen Friedensseminar: http://www.friedensseminar.de
Foto: Christliches Friedensseminar in Königswalde (c) Martin-Luther-King-Zentrum Werdau